10. Februar 2022 / Gepostet von Marmot Mountain Europe GmbH
Gerade in Fachkreisen der Bergsportszene ist immer wieder zu lesen, dass Bergführer den schönsten Job der Welt haben. In diesem Artikel möchte ich diese prägnante These näher beleuchten und versuchen, auf der Grundlage meines Weges in der Welt des Bergsports eine Antwort zu finden.
Schon als Kind war ich von dem Beruf meines Vaters fasziniert. Als Skiführer der Skischule Oberlech am Arlberg hat er jahrzehntelang mit Begeisterung viele zufriedene Kunden durch die atemberaubende Landschaft des Arlbergs geführt. Mit den unterschiedlichsten Charakteren – Chefs großer Konzerne, bekannte Politikern oder unbekannten Skibegeisterten – zog er seine Spuren durch den Tiefschnee. Ich war von Geburt an dabei, habe mit zweieinhalb Jahren das Skifahren gelernt und stand von da an jede freie Minute im Winter auf den Skiern. Schon als Kind habe ich die Begeisterung gesehen, die mein Vater mit seinen Touren und seiner Art, mit Menschen umzugehen, auslöste. Das wollte ich später auch tun.
Mit den Grundvoraussetzungen dauerte es nicht allzu lange. Nach einer intensiven und auch erfolgreichen Karriere als Skirennläufer, die ich als Bronzemedaillengewinner der Junioren-WM beendete, absolvierte ich die Skilehrerausbildung bis zum staatlich geprüften Diplom-Skilehrer und die Berg- und Skiführerausbildung. Im Alter von 24 Jahren hatte ich bereits alles für meinen weiteren Weg als Berg- und Skiführer oder Skilehrer beisammen.
Nur eine Sache zu tun, hat mir immer nicht gereicht. Deshalb habe ich bereits als ausgebildeter Berg- und Skiführer Meteorologie in Innsbruck studiert und mein Studienbudget in den Ferien als Bergführer und Skilehrer aufgebessert. Später arbeitete ich als Meteorologe an der ZAMG Innsbruck. Auch als Profikletterer konnte ich neben und nach meinem Studium viele Erfolge feiern – bis zu dem Tag, an dem ich mich entscheiden musste. Entweder Meteorologe bei der ZAMG oder Ausbildungsleiter der Österreichischen Bergführerausbildung. Die Entscheidung war eigentlich ganz einfach, denn die Arbeit am Berg ist meine Berufung und von da an gab es nur noch Bergführer.
Um auf die Titelfrage zurückzukommen: Bergführer kann natürlich der schönste Beruf der Welt sein. Doch wie überall und in jedem Beruf gibt es auch hier eine Kehrseite der Medaille. Spontan fällt mir eine Führung im extrem heißen Sommer 2003 ein. Wegen der heißen Temperaturen, die die 4000-Meter-Grenze erreicht hatten, wollte ich den Abstieg von der Hütte durch das gefürchtete Steinschlagcouloir am Morgen beginnen. Deshalb waren wir zu früh, noch im Dunkeln, auf dem Gipfel und mussten ein wenig warten, bis wir den Gipfel im Licht des Sonnenaufgangs überhaupt sehen konnten. Wie geplant war der Abstieg von der Hütte bereits am Morgen und noch immer gab es massiven Steinschlag in diesem Bereich. In der Couloir-Traverse hatten wir großes Glück. Ein Stein von der Größe eines Wohnzimmertisches schlug nur wenige Meter über uns in die Wand ein. Wie durch ein Wunder blieben wir unverletzt. Weniger Glück hatte ein Kletterer wenige Augenblicke vor uns – er konnte nur noch tot geborgen werden. An solche extremen Ereignisse erinnert man sich wahrscheinlich ein Leben lang, und ich bin froh, dass sie äußerst selten vorkommen.
Auf der anderen Seite dieses so vielseitigen Jobs stehen viele lustige, freudige und intensive Erlebnisse mit Kunden, die oft seit dem ersten Kontakt zu treuen Freunden geworden sind und mich seit zwei Jahrzehnten immer wieder in die vielfältige Bergwelt begleiten. Wie Markus und Berni, Teil einer Wiener Jugendgruppe aus der Mitte der 1990er-Jahre. Damals war es meine Aufgabe, dieser Gruppe die ersten Schritte im Skifahren abseits der Pisten oder im Tiefschnee beizubringen. Das Wort „Freeriden“ gab es damals noch nicht, aber das kunstvolle Wedeln im Tiefschnee schon. Seitdem haben wir viele Erfahrungen austauschen können und die Gruppe mit Markus und Berni begleitet mich noch heute und ist immer noch so begeistert vom Tiefschnee wie vor mehr als 20 Jahren. Markus, mittlerweile Top-Manager in Österreich, der auch bei einer Standardtour am Arlberg, die wir schon zigmal gefahren sind, nicht weiß, wo wir sind. Und Berni, das ewige Schlusslicht der Gruppe mit seiner stoischen Ruhe, der darauf hinweist, dass etwas nicht stimmt, sobald er nicht der Letzte ist. Viele Powderturns, tolle Freerideruns und Firstlines teilen wir nun über die Jahre hinweg in unseren Erinnerungen und freuen uns immer, wenn wir uns wieder treffen und zu einem neuen Abenteuer aufbrechen.
Abschließend kann ich für mich aus vollem Herzen sagen, dass ich als Bergführer den schönsten Beruf der Welt habe und froh bin, dass ich meiner Berufung gefolgt bin und ihn gewählt habe.
Text und Fotos:
Mag. Albert Leichtfried